Diogenes Quartett spielt Streichquartett op. 50 im Großen Ahnensaal von Schloss Schwarzenberg
21.04.2012 - DIE GESELLSCHAFT
In zweierlei Hinsicht stellte das Schwarzenberger Schlosskonzert, das am vergangenen Samstag in Zusammenarbeit mit der Joseph-Haas-Gesellschaft veranstaltet wurde, eine Besonderheit dar: Es ermöglichte die Begegnung mit einer der renommiertesten jungen Streichquartett-Formationen unserer Tage und es bot, dem eigentlichen Konzert vorausgehend, einen Vortrag mit Musikbeispielen. Wolfgang Haas, Enkel von Joseph Haas (1879 – 1960), präsentierte seinen Großvater als zeitgeschichtlich integren, in seiner Haltung katholisch-konservativen Schöpfer von vor allem Kirchen- und Kammermusik, Liedern und Klavierstücken aus nachromantischem Geist. Er verstand sich als Evolutionär, dem Volk verbunden, aber stets am Puls der Zeit – etwa als Mitbegründer der Donaueschinger Musiktage. Auch das Streichquartett, op. 50, aus dem Jahre 1919 kommt bereits vor der Aufführung recht ausführlich zur Sprache.
Stephan und Gundula Kirpal (Violine), Julia Barthel (Viola) und Stephen Ristau (Violoncello) erweisen sich dann als die denkbar idealen Sachwalter dieser gewiss zu Unrecht wenig bekannten Musik, die sie auch auf CD eingespielt haben. Das groß angelegte, wunderbar vielfältige Werk kann zwar seinen Mentor Max Reger nicht ganz verleugnen, dies tut der Eigenständigkeit der Komposition jedoch gewiss keinen Abbruch. An den Oberpfälzer erinnern die sprunghafte Kleinmotivik der Ecksätze und wohl auch manche harmonische Rückung, aber insgesamt ist das Quartett von Haas doch weniger chromatisch ruhelos und transparenter gehalten. Der zweite Satz, ein Quasi-Menuett, zeigt rustikale Züge, der langsame Satz entwickelt zu einem klassizistischen Choralthema breit ausgesungene Variationen. Trotz gewisser Längen eine beglückende Begegnung, grandios gestaltet von den vier Streichern, die ihrem glänzenden Ruf vollauf gerecht werden. Mozarts Quartett KV 80 steht am Anfang des Abends und überrascht in einer solchen Deutung als keineswegs oberflächliches Frühwerk. Mag das einleitende Adagio dem als Zugabe dargebotenen langsamen Satz aus KV 387 noch klar unterlegen sein, so beeindruckt das folgende Allegro in seiner Sturm-und-Drang-Turbulenz durchaus und nicht wenig verblüfft der Finalsatz mit seinem eleganten Witz, an ein reifes Haydn-Quartett erinnernd. Nach der Pause interpretieren die Diogenes-Leute Schuberts Rosamunde-Quartett und reißen das erfreulich zahlreich erschienene Publikum zu lang anhaltendem begeisterten Beifall hin. Die Deutung erscheint strukturell und ideell wie aus einem Guss. Es ist ein unpathetischer Schubert, im Kopfsatz energisch und straff, in keinem Augenblick larmoyant oder biedermeierlich, aber eben auch – und das ist angesichts neuerer Schubert-Klischees wichtiger – niemals sportlich oder exaltiert. Der langsame Satz mag versöhnen, mild oder anheimelnd klingt er keineswegs. Das Menuett ist geprägt von nachdenklicher bis schmerzlicher Verhaltenheit. Schließlich das Finale: Eher „moderato“ als „allegro“ wird es musiziert – also durchaus im Sinne der Tempoangabe –, zwar rhythmisch äußerst prägnant, aber stets erdig und ernst. Von einem elanbetonten Kehraus war Schubert weit entfernt, so weit wie das Diogenes-Quartett von der Gefahr, einen solchen aus Gründen des Effekts zu offerieren, so dass es ihnen auch möglich ist, die oben erwähnte Zugabe bruchlos anzuschließen. Wolfgang Zimmermann Das Diogenes Quartett hat das Streichquartett A-Dur op. 50 auf CD eingespielt. Sie können es hier bestellen.